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Busfahrt durch den Kaukasus - Teil 3: Georgien


Georgien

Geschichtlicher Überblick

Die Geschichte Georgiens reicht bis ins 600 Jh. v. Chr. zurück. Entlang der bereits seit Jahrtausenden von Nomadenstämmen besiedelten Schwarzmeer-Küste des heutigen Georgien gründen die Ionier (Griechen) mehrere florierende Handels-Kolonien. Etwa gleichzeitig bilden sich im Landesinneren die beiden Königreiche Kolchis und Iberia heraus. Ca. 550 v.Chr. erobert der persische Achämenidenkönig Kyros II. fast die ganze Kaukasusregion einschließlich des Gebiets des heutigen Georgien (und wenig später auch Anatolien/Türkei sowie bis 539 ganz Syrien, Mesopotamien und Palästina). Nachdem der Makedonier Alexander der Große in raschem Siegeszug Anatolien erobert hat, unterwirft er nun auch nahezu die gesamte Kaukasusregion einschließlich des heutigen Georgien (und bis 323 fast das gesamte restliche Perserreich, das sich inzwischen bis nach Ägypten erstreckt). Nach dem plötzlichen Tod Alexanders des Großen werden die von ihm eroberten Gebiete zum Streitobjekt zwischen seinen Feldherren, den "Diadochen" (griechisch: Nachfolger). Seleukos übernimmt die Macht in Mesopotamien, von wo aus er zusammen mit seinem Sohn Antiochos zunächst die persischen Ostgebiete und schließlich das restliche Vorderasien einschließlich Anatolien und der gesamten Kaukasusregion, wozu auch das Gebiet des heutigen Georgien zählt, unter seine Kontrolle bringt. 66 v.Chr. gelangt das Gebiet des heutigen Georgien unter römische Oberhoheit. Ab 315 n.Chr. breitet sich im Gebiet des heutigen Georgien das Christentum aus. Ab 500 kämpfen Byzanz und Persien (Sassaniden-Dynastie) um das Gebiet des heutigen Georgien. Ab 655 gerät das Gebiet des heutigen Georgien allmählich unter die Oberherrschaft der islamischen Araber.

1008 vereinigt Bagrat III. West- und Ostgeorgien erneut zu einem weitgehend selbständigen Königreich. Nach Jahrhunderte langer Unterjochung islamisch-türkischen und sunnitisch-islamischen Seldschuken als auch die schiitisch-islamischen Sassaniden, beginnt für Georgien im 13 Jh. das "Goldene Zeitalter". Unter den nachfolgenden Herrschern dehnt sich das Reich nahezu über den gesamten Kaukasus aus. 1242 wird Georgien von den Mongolen überrannt und verwüstet. In den folgenden zwei Jahrhunderten unter mongolischer Oberhoheit genießen die georgischen Herrscher jedoch eine gewisse Eigenständigkeit. Ab Ende 15. Jahrhundert wird das inzwischen wieder in zahlreiche kleine Staatsgebilde geteilte Gebiet des heutigen Georgien wird zum Streitobjekt zwischen Osmanen (Türken) und Persern (Safawiden-Dynastie). Die verschiedenen Fürsten stellen sich aus Angst vor erneuter persischer bzw. türkischer Fremdherrschaft nach und nach unter die Schutzherrschaft des christlichen Russland, das ihnen Selbständigkeit in inneren Angelegenheiten verspricht.

Am 18. Januar 1801, nach dem Tod des letzten Bagratidenkönigs Georg XI., erklärt Zar Paul I. das Gebiet des heutigen Georgien zur russischen Provinz und ordnet die "Russifizierung" der Region an. Russische Truppen bringen während des Ersten Weltkriegs nahezu den gesamten Kaukasus und weite Teile des türkischen Ostanatolien unter ihre Kontrolle, ziehen sich aber nach der "Oktoberrevolution" in Russland aus Transkaukasien (Georgien, Armenien, Aserbaidschan) zurück und erklären am 26. Mai 1918 in Anlehnung an die nach der russischen Revolution verfasste "Deklaration über die Rechte der Völker Russlands" Georgien zur unabhängigen Republik. Trotz der Anerkennung durch Russland marschiert Ende 1920 auf Befehl des aus Georgien stammenden späteren sowjetischen Oberhauptes, Josef Stalin, die sowjetische "Rote Armee" in Georgien ein und proklamiert am 25. Februar die "Georgische Sozialistische Sowjetrepublik" und wird später mit Armenien und Aserbaidschan zur "Transkaukasischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik" innerhalb der neugegründeten UdSSR zwangsvereinigt. Gegen diese Praktiken führten die Georgier immer wieder Aufstände, die durch die "Rote Armee" blutig niedergeschlagen wurden. 1936 wurde die "Transkaukasische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik" aufgelöst und in die eigenständigen Sowjet-Republiken Georgien, Armenien und Aserbaidschan aufgeteilt. Georgien wird Unionsrepublik der UdSSR mit Autonomiegebieten für die Volksgruppen der Osseten, Abchasen und Adscharen.

Nachdem 1989 Demonstrationen für mehr nationale Selbständigkeit in Tiflis gewaltsam vom sowjetischen Militär aufgelöst worden waren (mindestens 20 Tote), kommt es in ganz Georgien zu schweren Unruhen. Der Oberste Sowjet in Tiflis sieht sich zur Ankündigung freier Wahlen gezwungen, aus denen der Nationalist Swiad Gamsachurdia als Sieger hervorgeht und dieser am 9. April 1991 die (präsidiale) Republik Georgien und ihre Unabhängigkeit von der UdSSR proklamiert. Er setzt die Verfassung von 1921 wieder ein. Hauptstadt ist das 458 gegründete Tbilisi (Tiflis). Gleichzeitig beginnt der Machtkampf zwischen Nationalisten und Reformern.

Im Januar 1992 wird Swiad Gamsachurdia wegen seines autoritären Führungsstils gestürzt und flieht nach Russland. Seine Anhänger ziehen sich in die autonome Republik Abchasien im Nordwesten Georgiens zurück. Edward Schewardnadse, der ehemalige sowjetische Außenminister, übernimmt sein Amt.
In der nordgeorgischen autonomen Region Südossetien, das einen Zusammenschluss mit dem auf russischem Gebiet gelegenen autonomen Nordossetien anstrebt, brechen bürgerkriegsähnliche Zustände aus, nachdem die Regierung in Tiflis dessen Unabhängigkeitserklärung nicht anerkennt. Im Mai kommt es zur Unterzeichnung eines Waffenstillstandsvertrages. Abchasien - sie war von 1921-31 bereits eigenständige Sowjetrepublik - erklärt sich für unabhängig. Dies führt zum blutigen Bürgerkrieg zwischen muslimischen Abchasen und christlichen Georgiern. Georgische Regierungstruppen besetzen die abchasische Hauptstadt Suchumi am Schwarzen Meer. Die Kämpfe in Abchasien und der Konflikt mit Südossetien führen in Georgien zum völligen Zusammenbruch der Wirtschaft. Aufgrund von Massenentlassungen steigt die Kriminalitätsrate rapide. Teile der Nationalgarde und berüchtigte Freischärler begehen Gewalt- und Willkürakte, gegen die die Regierung machtlos ist.
September 1993 kehrt der Ex-Präsident Swiad Gamsachurdia aus seinem Exil in Tschetschenien zurück und verbündet sich mit den abchasischen Rebellen. Sein Versuch, die Regierung in Tiflis zu stürzen, scheitert. Er stirbt wenige Wochen später unter mysteriösen Umständen. Im Oktober 1993 tritt Georgien der GUS bei. Aserbaidschan und Georgien unterzeichnen einen Freundschaftsvertrag. Die Kämpfe zwischen abchasischen Rebellen und georgischen Regierungstruppen gehen unterdessen mit unverminderter Heftigkeit weiter. Mindestens 3 000 Menschen sind inzwischen ums Leben gekommen, Hunderttausende, vor allem aus Abchasien vertriebene muslimische Georgier, befinden sich auf der Flucht. Es kommt zu ersten Friedensgesprächen zwischen Abchasien und der Regierung in Tiflis. Man einigt sich auf einen Waffenstillstand, um den Flüchtlingen, die an Hunger und Kälte leiden, die Rückkehr in ihre Heimatorte zu ermöglichen.

Abchasen und Georgier einigen sich auf einen beiderseitigen Truppenabzug, der von einer 3.000 Mann starken russischen Truppe überwacht wird. Georgien und Russland unterzeichnen einen auf 25 Jahre begrenzten Vertrag, der es Russland ermöglicht, in Georgien drei Militärstützpunkte einzurichten. Georgien führt eine neue Währung (Lari) ein. Gleichzeitig erhält das Land eine neue Verfassung, die die Machtbefugnisse des Staats- und Regierungschefs erweitert. Man unterzeichnet erste Verträge mit Süd-Ossetien und schließt einen Frendschaftsvertrag mit Aserbaidshan über enger wirtschaftliche Zusammenarbeit ab. Doch die Kämpfe an der Grenze zu Abchasien entflammen erneut und viele, dei gerade in ihre Heimat zurückgekehrt waren, fliehen erneut ins georgische Kernland. Der UN-Sicherheitsrat verlängert das Mandat der UN-Beobachter in Georgien. Im seit acht Jahren andauernden Konflikt zwischen Georgien und und dem nach Autonomie strebenden Abchasien ist noch immer keine Einigung in Sicht. Russische GUS-Truppen überwachen die Einhaltung der Waffenruhe.

Der Staatsname "Georgien" beruht auf einem Missverständnis: Die arabischen Eroberer hatten die Bergwelt des Kaukasus "Djorji" (gesprochen "Dschordschi") genannt. Dies wurde von den Europäern später fälschlicherweise so gedeutet, dass damit auf die Verehrung der Bevölkerung für den Hl. Georg hingewiesen werden sollte. Von russischer Seite wird dieses Land auch "Grusinien"" genannt.



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