am Urlaubsort
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Endlich in Pizunda angekommen fährt der Bus durch ein breites Tor,
welches durch einen Gai-Posten (unformierter Wachschutz) abgesichert ist. Dahinter erstreckt sich nach einer ca.
200-300m langen geraden Straße das eigentliche Urlauberdorf.
Entlang dieser Straße waren verschiedene große Tafeln mit Ornamenten der Region aufgestellt. Oberhalb
des Strandes, welcher hier aus kleinen grauen Kieselsteinen besteht, wurden die Sieben Hotels errichtet. Unser Haus
ist das Hotel "Apsny" und in der Reihenfolge gleich das Erste. Die anderen Hotels heißem "Bsyp" (wie das
Flüßchen, welches in der Nähe ins Schwarze Meer mündet), "Solotoje Runo" (Goldenes Vlies),
"Majak" (Leuchtturm), und "Iweria". Die Häuser haben jeweils 14 Etagen. Unsere Zimmer befanden sich im 9.
Stock - mit herrlichem Rundumblick über das Wäldchen.
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Zu den Mahlzeiten kam in das Hotel allerhand Bewegung. Sie wurden in zwei Belegungen durchgeführt. Wir hatten
glücklicherweise die 2. Schicht und konnten das Essen ruhiger und etwas später genießen. Somit war
das halbe Hotel zur Verpflegung unterwegs. Die beiden Fahrstühle reichten in dieser Situation nicht aus und so
strömten die hungrigen Massen einem Ameisenhaufen gleich das verglaste Treppenhaus herunter (und nach dem Essen
mühsam wieder hinauf). Der Verpflegungswürfel für unser Objekt stand einige Meter vom Hotel als
Einzelgebäude entfernt. Deshalb hat man auch vor dem Frühstück (typisch deutsch) die Möglichkeit
genutzt, um einen der begehrten Sonnenschirme mittels Handtuch als seinen Besitzstand zu markieren. Wie man sieht
war auch der Ostblock schon "up-to-date".
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Zwischen "Apsny" und "Bsyp" war eine kleine Nachtbar. Diese öffnete 20.00 Uhr und lag etwas unterhalb der
Erdoberfläche. Hier wurde nach typisch kaukasischer Art der Kaffee auf heißem Sand zubereitet. Dazu
wurden die kleinen Mokkatassen mit viel Zucker und Kaffepulver gefüllt und heißem Wasser übergossen;
anschließend alles auf dem Sand zum kochen gebracht. Aber die echte Spezialität dieser Bar war "Jakamarus".
Nirgendwo sonst habe ich diesen Kräuterlikör ähnlichen Schnaps gesehen. Seine Flasche glich der eines
"Steinhegers" und schmeckte nach viel mehr. Deshalb verbrachten wir auch desöftern unsere nächtliche Freizeit
an diesem Ort.
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Der Tag hingegen begann nach dem Frühstück mit Basarbesuch.
Hierzu mußte man das Urlauberdorf verlassen und an den Ortsrand gehen. Der Basar war der Dreh- und Angelpunkt
für Gepräche mit der Bevölkerung und vorallem des "po probuie". Es wurde gekostet und gekostet. Gerade
die eingelegten Gewürzgurken hatten es uns angetan, da hierzu Gewürze verwendet wurden, die bei uns nicht
in das Gurkenfass fanden. Und dieses Rezept scheint in jeder Region, die ich bereiste, bekannt zu sein. Das sollten
sich jene Firmen der Konservenindustrie besorgen, die irrtümlich "Moskauer Gurken" auf ihr Etikett
schreiben Aber auch die exotischen Früchte (für DDR-Bürger immer etwas neu) mußten genascht
werden. Ob es Granatapfel oder kandierte Feigen waren - alles mußte rein
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Auf dem Weg zum Basar lag auch eine alte Ruine. In einem Runden Gebäude
teil hat man eine kleine überdachte Freiluftbar eingerichtet. Man saß auf Podesten im Kreis um einen in
der Mitte befindlichen Springbrunnen. Es war angenehm kühl in der Bar. Aus den Lautsprechern klang moderne,
westliche Musik. Die Drinks wurden nicht gerührt und nicht geschüttelt sondern so ins Glas gebracht, daß
die einzelnen Sorten der Zutaten schichtweise zu erkennen waren. Auf den Magen, gefüllt mit eben beschriebenen
kostenlosen "Fressereien" vom Basar genehmigten wir uns dann oft ein solches Getränk. Eines Tages kamen auch
weitere Mitglieder der Reisegruppe hinzu und deuteten eine Warnung für das Verlassen der Bar an. Da aber
die Bemerkungen etwas uneindeutig waren, wußten wir damit nichts anzufangen und gingen hinaus. Plötzlich
schwebte ein etwas größerer Gegenstand um die Ecke an dem noch die Hand einer alten Dame hing. Der Schreck
war riesengroß. Mit diesem Gegenstand knallten uns die Worte: "Ruiba, Ruiba" entgegen. Die Frau hatte sich an
den Eingang der Ruine gestellt und versuchte, uns ihren Trockenfisch anzubieten. Doch wir lehnten freundlich ab; war
uns vom Schnaps und dem Schreck schon schlecht genug.
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Nachmittags war dann meist Pause angesagt. Irgendwann mußte man einen Rausch ja ausschlafen. Aber auch nach
des Nachbarn Weib schauen oder mittels Motorboot (Kosten: 5 Rubel) hinausfahren, um die Delphine zu besuchen, war
drin. Alles eben, was einen Urlaub erst angenehm macht. Schließlich ist man nicht nur zum Alkoholtest hierher
gefahren, obwohl das im "russischen Reich" irgendwie dazugehört, wie die Marmelade auf dem Brötchen zum
Frühstück. Bitte glauben Sie aber jetzt nicht, daß wir Alkoholiker sind! Aber bei der Hitze reicht
manchmal schon ein Glas (oder mehr?).
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Das Meer geht an der hiesigen Schwarzmeerküste sehr steil ab. Leider hatte ich aber den Salzgehalt des Wassers
nicht richtig
eingeschätzt. Ich wunderte mich bereits beim ersten Anblick des Strandes, warum dort aller ein paar Meter
Duschen aufgestellt waren. Aber das hatte seine Berechtigung. Und diese sollte mein Sonnenbrand, den ich mir bereits
am zweiten Tag geholt habe, bestätigen. Zum Glück hatte eine Familie in der Gruppe an solche
Zwischenfälle gedacht und Panthenolspray mitgenommen. Ich sah die nächsten Tage aus wie ein gepuderter
Stollen zu Weihnachten.
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Den Blödsinn, den wir am Strand verzapft hatten, möchte ich nicht weiter aufzählen. Dies würde den
Rahmen dieser Seiten sprengen und nur Kopfschütteln hervorrufen. Es ist aber ordentlich auf Zelluloid dokumentiert
worden.
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Was mir allerdings negativ in Erfahrung geblieben ist, war die Verpflegung. Obwohl ich gern Beffsteck esse und deshalb auch noch
in Berlin vor der Abreise ein solches mir zu Munde geführt habe, wurde die Sache derartigen Fleischverzehrs dann doch
etwas unangenehm. Es gab in Pizunda Gehacktes in jeglicher Variation - zum Morgen, zum Mittag und zum Abend in der Kombination mit
Nudeln, Reis oder Kartoffeln. Nur die Reihenfolge der Beilagen änderte sich täglich. Noch vor der Abreise
schwor ich mir, die kommenden 14 Tage weder an den Fleischklops zu denken - geschweige denn einen solchen zu essen.
Immer wieder kamen Erinnerungen an Sauerbraten mit Rotkraut und grünen Klösen oder Schnitzel mit Blumenkohl
und Salzkartoffeln in mir hoch. Allein der Gedanken daran ließ mir das Essen genießen. Wie stark kann
Einbildungskraft sein, wenn man in der Not ist?!.
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Am nördlichen Ende des Hotelkomplexes, neben dem Hotel "Iswestia", war ein weiteres schönes Freiluftrestaurant.
Auf Möbeln der natürlichen Art nahm man hier Platz und gönnte sich eine Flasche georgischen
Wein zum Schaschlyk. Hier gingen wir auch am letzten Abend unseres Aufenthaltes hin, um ein Glas zum Abschied zu
trinken. Es sollte nicht allzu spät werden, da wir bereits halb vier in der Früh mit dem Bus zum Flughafen
fahren. Wir waren gerade dabei, unseren Wein auszutrinken, als eine Gruppe von 5 hübschen Frauen und 2 Männern
fragte, ob sie sich an unseren Tisch setzen und das Tablett, auf dem wir die Gläser geholt hatten nutzen
könnten. Wir hatten natürlich nichts dagegen, wollten wir doch ins Hotel zurück. und gepackt war auch
noch nicht.
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Doch es kam alles anders als geplant.
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Nachdem wir ihnen unser Tablett überlassen hatten, kramte einer der Jungs in seinem Rucksack und holte einen Folienbeutel
mit rölichem Inhalt heraus. Auf dem Tablett ausgeschüttet erkannten wir eine große Menge kleiner
Krebse. Wir müssen sehr ungläubig geguckt haben. Jedenfalls begannen unsere Tischnachbarn zu erklären,
um was es handelt und wie man sie ißt. Sie haben diese Krebse bei der Wanderung in den Bergen aus einem Fluß
gefischt und in Kochwasser ca. 5 min gebrüht. Hier in Pizunda hatten die Leute eine Stelle gesucht, wo sie die
Tiere als Abendbrot verspeisen konnten.
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Mir gegenüber saß eine hübsche junge Russin mit einem süßen Lächeln im Gesicht.
Ich mußte sie immer wieder ansehen. Auch Sie schaute mir öfter in die Augen und fing auf einmal an, die Krebse, die
sie ausnahm zu teilen. Mir reichte sie das enthäuste Schwanzteil uns zutschte selbst nur den Körper und
die dünnen Scheren aus. Sie hieß Irina und kam aus Norilsk. Uns erklärte man, daß man,
wenn man im hohen Norden wohnt, aller zwei Jahre einen Freiflug in den Süden bekommt - zum Ausgleich und zur
Erholung vom rauhen Klima.
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Es wurde noch ein sehr schöner Abend. Für die kleine Kostbarkeit sind wir erneut an die Bude und haben
eine neue Flasche Rotwein geholt, die wir dann mit den Leuten als Dank teilten. Dafür wurde noch Brot und Wurst
aus dem Beutel geholt und so ging das immer wieder hin und her mit dem Ausgeben.
Gegen 23.00 Uhr schloß die
Gaststätte. Da brachen auch wir gemeinsam mit unseren neuen Freunden in Richtung Hotel auf; jeder ging irgendwie irgendwo lang
und ich war mit Irina dann plötzlich allein.
Die Nacht war lau und die Zeit verging wie im Flug. Doch der war mir jetzt total egal...
...viel Zeit blieb nicht mehr, um
die Koffer zu packen. wir sollten ja zeitig zum Airport gebracht werden. Obwohl wir vor dem Auseinandergehen noch unsere
Adressen getauscht und ich ihr auch schrieb, habe ich nie mehr etwas von ihr gehört.
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Dafür wurden mein Begleiter und ich bei der Ausreise in Sotschi äußerst gründlich kontrolliert.
Kontakte waren Einheimischen und Ausländern eben untersagt - auch wenn es sich um DDR-Bürger ("die Freunde
der Sowjetunion") handelte.
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Die größte Überraschung ereilte mich dann zuhause. Gegen Abend bei meiner Mutter eingetrudelt, welche mich
nach meiner Rückkehr mit Essen versorgen wollte, teilte sie mir mit, zu vermuten, daß ich im Ausland etwas
ungewohnte Nahrung bekommen habe. Also hat sie mir extra mein Lieblingsgericht gebraten - Beffsteck !!!
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5 Jahre später besuchte ich Pizunda während meines Urlaubs in Sotschi noch einmal kurz als Zwischenstation.
Die Perestroika war bereits in vollem Gange. Diese wirkte sich meines Erachtens negativ auf diesen schönen Kurort aus.
Am Stadtrand enstanden globige Betonbauten, auf dem Basar sind viele Stände, die früher frisches Obst und
Gemüse angeboten haben, verschwunden bzw. verkauften jetzt Textilien oder Plunder und die schöne Coktail-Bar
war auch nicht mehr das was sie war. Der Springbrunnen plätscherte nicht mehr und es gab nur noch Limonaden und
Mineralwasser. Schade
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